Transalp 2003

Ein Bericht von unserer ersten Hüttentour teilweise auf und abseits des Europäischen Fernwanderwegs E5 von Oberstdorf bis in das Schnalstal in Südtirol.

Kannst du nicht wie der Adler fliegen, klettre nur Schritt für Schritt bergan;
wer mit Mühe den Gipfel gewann, hat auch die Welt zu Füßen liegen.  Viktor Blüthgen

 

1.Tag Sonntag 10.00 Uhr: Treffen vor der OASE alpin Bergschule.

Lange erwartet und lange drauf gefreut. Wer gehört zu unserer Gruppe ( insgesamt brechen heute morgen 3 Gruppen zu einer Tour auf)? Erstes vorsichtiges Beschnuppern und Anschauen. Wir, das sind Nina aus Düsseldorf, Martin aus Wangen, Horst aus Aachen, Wolfgang aus Kiel und Martin und ich aus Osterrönfeld, werden die nächste Woche zu sechst unter der Führung von Bernhard über die Alpen ziehen. Durch die zusätzliche Ausrüstung (Steigeisen, Eispickel und Klettergurt), die dankenswerterweise kostenlos zur Verfügung gestellt wird, wird der Rucksack sofort merklich schwerer. Gleich die Gelegenheit genutzt und noch einmal nach Bernhards Namen gefragt, das “Bayrische” ist für einen “Fischkopp” wie mich nun manchmal schwer zu verstehen und es wäre doch wirklich dumm, nicht einmal den Namen unseres Bergführers zu kennen.

Und los geht es. Die ersten Schweißtropfen fließen schon auf dem Weg zur Nebelhornbahn, was allerdings nicht unserer schlechten Verfassung sondern dem Superwetter zuzurechnen ist. Nach der Auffahrt zur Bergstation (1927 m) starten wir gegen 11.00 Uhr auf dem Panoramahöhenweg zum Laufbacher Eck (2105 m). Der Weg führt über die Schönberg-Hütte zum Prinz-Luitpold-Haus auf 1846 m Höhe. Wir, d.h. Martin und ich, sind bislang nur mit Tagesrucksäcken gewandert und sind beide überrascht, dass wir erst zu unserer gewohnten Trittsicherheit finden müssen. Nach der Hälfte der heutigen Tour haben wir uns aber beide an das neue Gefühl gewöhnt und das höhere Gewicht verunsichert uns nicht mehr. Uns umgibt das satte Grün der Allgäuer Alpen, die Farbenpracht der Blumen ist beeindruckend – es ist einfach eine tolle Jahreszeit in den Bergen.

Am Prinz-Luitpold-Haus angekommen tun wir alle erst einmal etwas für unseren Flüssigkeitshaushalt. Ich werde mich im Laufe der nächsten Tage noch so manches Mal wundern, wie viel ich trinken kann/muss. Dass es zum Waschen nur kaltes Wasser gibt, stört bei den hohen Temperaturen nicht -  es ist vielmehr erfrischend. Das Haus ist recht gut belegt. Zu Martins und meiner Überraschung können wir uns bei einem reichhaltigen dreigängigen Menü wieder stärken. Auch sammeln wir erste Erfahrungen in der uns nicht so gängigen Sprachkultur: wir wünschen uns zum Essen “an Guadn” und mit einem “San mir wieda guad”  (verzeiht einem Nichtbayern, wenn die Schreibweise nicht stimmt) stoßen wir an.

Der größte Teil des Weges verläuft in der prallen Sonne, zwischen den Pflanzen steht die Hitze förmlich, was einigen aus der Gruppe zu schaffen macht. Solch eine Luft hätte ich allerdings auch eher in den Tropen als in den Alpen erwartet. Wenn auch das Wasser bei so manchem knapp ist, gegen den kleinen Hunger lässt sich etwas tun: so verschluckt Wolfgang kurzerhand eine Fliege.

2. Tag Frühstück um 7.00 Uhr, Aufbruch um 8.00 Uhr.

Bei schönstem Sonnenschein steigen wir über die Kreuzspitze zum Hochvogel (2592 m) auf. Der Weg ist mit einigen Drahtseilen gesichert – das Salz in der Suppe. Es gibt auffällige Felsgebilde zu bestaunen. Auf dem Gipfel treffen wir zwei andere Gruppen, legen eine Pause ein und genießen die Aussicht. Ist das wirklich der Hochvogel? Wer weiß das schon – “es muss spannend bleiben”! Der Abstieg führt uns über den Bäumenheimer Weg, einen leichten Klettersteig, nach Hinterhornbach (1101 m), ein schöner Weg. Nicht jeder der Gruppe ist die Kletterei gewöhnt, so dass der Abstieg Zeit beansprucht. Macht nichts, wir sind ja nicht auf der Flucht. Nur dass die Sonne wieder auf uns hernieder scheint, es wird sehr heiß. In der Ferne ist eine Alpe zu sehen, also wunderbar, dort kann aufgetankt werden. – Pech gehabt, sie ist nicht bewirtschaftet und weit und breit ist kein Wasser zu sehen. Martin, der Wangener, kann - wie immer positiv- schon das “Helle Höff” riechen, das unten im Tal auf ihn wartet. Wir müssen recht mitleiderregend dort im Schatten sitzend aussehen, denn 2 Wanderer bieten uns ihre Flasche Wasser an, die wir dankend annehmen und teilen. Wahrscheinlich ändert es nicht viel an unserer Erscheinung, denn nun wird uns auch noch der Käse angeboten, aber Hunger hat keiner von uns.

Im weiteren Verlauf des Weges wird es schattiger und wir treffen auf Wasserläufe, “guads Wasser” wie uns Bernhard  versichert. Nach anfänglicher Skepsis füllen auch Martin und ich unsere Flaschen. Sollte das Wasser doch nicht so guad sein, werden wir eben alle Bauchschmerzen kriegen.  Es ist schon erstaunlich, wie köstlich Wasser schmecken kann. “ Durst ist schlimmer als Heimweh” – dieser Spruch erklingt häufiger die Tage.

In Hinterhornbach angekommen werden wir von einem Kleinbus nach Boden im Lechtal (1356 m) gefahren. Dort machen wir erst einmal in einem Gasthaus Rast und füllen die Speicher wieder auf ( Originalton Bernhard ). Das Thermometer, das Wolfgang vorfindet, ist wohl kaputt, es zeigt über 50 Grad C an, oder doch nicht, nachdem wir ein zweites mit gut 30 Grad C im Schatten gefunden haben?  Gestärkt machen wir uns auf durch das Angerle Tal zur Hanauer Hütte (1920 m) – ein gemütlicher Anstieg. Kleine Überraschung: es gibt einen Materialtransport für die Rucksäcke. Wir nehmen das gerne in Anspruch, denn die Hitze hat geschlaucht. Trotzdem, ich freue mich über das Wetter, viel viel schöner als Regen!!!!

Die Hütte ist nur mit wenigen Personen belegt, außer uns sind noch 3 andere Wanderer zu Gast. Sie ist neu renoviert und wir genießen eine ausgiebigere Wäsche mit warmen Wasser. Wieder werden wir sehr gut verpflegt. Als Martin etwas von meiner Roulade erhält ( es handelt sich immerhin um sein Lieblingsessen ) sorgt Nina mit "ich geb nichts ab” sofort für klare Fronten. Das “San mir wieda guad” kommt schon leichter über die Lippen. Gegen 22.00 Uhr leitet Horst das Schlafengehen mit den Worten: “Ich leg mich jetzt hin, nur 8 Stunden Schlaf bei diesen Leistungen, die man hier bringen muss!” ein.

3. Tag

Nach einem guten Frühstück brechen wir gegen 7.45 Uhr wieder bei strahlend blauem Himmel zu unserer Tour auf. Die Dremlscharte (2434 m) erreichen wir nach ca. 1,5 Std.. Dank des frühen Aufbruchs liegt dieser Teil des Weges im Schatten. In der Scharte geht ein kalter Wind, so dass ich froh bin, als es weitergeht und ich mich auf die kommende Sonne freue. Der Abstieg erfolgt zunächst über einen mit Seilen versicherten Steig, Schotter bildet vielfach den Untergrund. Als Horst richtig festen Grund unter seinem Fuß fühlt, muss er feststellen, dass der Boden sich mit einem “au” bemerkbar macht, da er Wolfgang auf den Kopf gestiegen ist. Auch zeigt sich, dass man das Seil nicht zwischen den Beinen halten soll, auch wenn keiner dran zieht....So führt uns der Weg mit schöner Aussicht auf den Steinsee und von vielen Pflanzen gesäumt zur Steinseehütte (2061 m), Gelegenheit zum “Füllen der Speicher”.

Es folgt ein langer Abstieg bis nach Zams, das auf 800 m Höhe liegt. Leider fährt die Venetseilbahn wegen Revisionsarbeiten nicht, so dass wir von Zams aus die Larcheralm (1860 m) mit dem Taxi erreichen (schäm). Die meisten von uns nutzen die Gelegenheit zu einer warmen Dusche. Wir verbringen einen supergemütlichen Abend auf der Alm mit einer Riesenpfanne Käsespätzle, die zu den Besten gehören, die ich je gegessen habe. Für Martin gibt es Eier mit Speck, da er gar keinen Käse mag - ungünstig auf einer Alm. An diesem Abend sitzen wir noch länger bei Bier und Wein, bei “Hausgebranntem” und Zirbenlikör mit Anni und Hubert zusammen.

4. Tag

Wir können ausschlafen an diesem Tag, gegen 8.00 Uhr wollen wir frühstücken. Nina ist die Erste, die aufsteht und dringend den Schlafraum verlassen möchte  (hat sich etwa der Hausgebrannte nicht mit dem Rotwein vertragen?). Unglücklicherweise kommt sie nicht aus der Tür, bis Horst mit technischem Verständnis und einem “Du musst drehen” den entscheidenden Tipp gibt. Nach und nach stehen wir alle auf, um dann draußen festzustellen, dass wir eine Stunde zu früh auf sind – macht nichts. Anni hat uns ein Superfrühstück gerichtet, schade nur, dass es irgendwann “pregelet” (oder wie heißt das Wort Martin?). Wir möchten schon noch, wir können nur nicht mehr.

Die Tour heute beginnt mit einem schönen panoramareichen Abstieg über den alten Almweg nach Wenns im Pitztal (976 m). Vorbei geht es zunächst an Kühen, dann an Hafflingern und später an Eseln (der Kleine sieht aus wie ein großes Steiftier). Es ist mir ein Rätsel, wie die OASE alpin all diese Tiere für die Tour gewinnen konnte. Kurz vor Wenns fängt es ein wenig an zu regnen, warmer Regen. Den größeren Schauern  können wir in Wenns gut ausweichen, während wir auf den Postbus warten. Dieser bringt uns durch das Pitztal nach Mittelberg (1734 m). Nach einem leichten kurzen Anstieg erreichen wir die Gletscherstube (1915 m), in die wir einkehren.

Auf der weiteren Strecke haben wir heute die Möglichkeit, die Rucksäcke mit der Materialseilbahn transportieren zu lassen. Beim Aufstieg zur Braunschweiger Hütte (2760 m), unserem heutigen Tagesziel, werden wir von Bernhard zur Eile ermahnt, da für den Nachmittag schlechtes Wetter angekündigt ist. Wir gehen über einen schön angelegten Weg, vorbei an Wasserfällen und genießen einen überwältigen Blick auf die Gletscherzunge des Mittelbergferners.

Wir haben Glück und gelangen trocken zur Hütte. Hier ist die Luft merklich kühler und auch in der Hütte fröstelst mich, also was überziehen. Hier empfinde ich das kalte Wasser nicht mehr als so erfrischend und so fällt die Wäsche etwas kürzer aus. Vor dem Abendessen üben wir draußen mit Bernhard noch das Überziehen von Steigeisen und Klettergurt. In der warmen Gaststube stärken wir uns  bei einem guten Essen. Am Abend fängt es dann doch an zu regnen. Wird das Wetter morgen die Besteigung der Wildspitze zulassen? Es muss spannend bleiben, aber wir gehen von gutem Wetter aus.  Diesen Abend gehen wir früher zu Bett bzw. zur Matratze, denn wir wissen, dass unsere Nacht kurz sein wird.

5. Tag

3.30 Wecken, 4.00 Frühstück, 4.30 Abmarsch – wir brechen sehr früh auf in der Hoffnung, der angekündigten Schlechtwetterfront zuvorzukommen. Draußen begrüßen uns einige Sterne am Himmel, ein guter Anfang. Im Morgengrauen nähern wir uns dem Gletscher. Durch den Regen in der Nacht ist das Eis sehr glatt, so dass wir schon nach wenigen Metern die Steigeisen nutzen, für viele von uns das 1. Mal. Bis hierher wären Martin und ich alleine gekommen. Ab diesem Abschnitt der Tour hätte unser Wissen und die Erfahrung nicht mehr ausgereicht und wir vertrauen uns ganz Bernhards Führung an. Wir gehen bis zum Mittelberg Joch (3166 m), genießen den Anblick des Ferners im zunehmenden Tageslicht. Nach einer kurzen Rast seilen wir uns an und weiter geht es ohne Steigeisen über den Taschachferner Richtung Wildspitze (3772 m). Es sind einige Spalten zu überschreiten, die breiteren verursachen bei mir doch ein mulmiges Gefühl. Nicht jede Schneebrücke sieht wirklich vertrauenswürdig aus. Aber andererseits  sind die Spalten auch wunderschön – beeindruckende Skulpturen aus Schnee und Eis. Es stimmt eben immer wieder: DER WEG IST DAS ZIEL. Bernhard weist uns immer wieder an, das Seil straff zu halten. Dann sehen wir doch in der Ferne ein Wetter heranziehen. Wir müssen das Tempo steigern, um das Ziel noch sicher zu erreichen. Das höhere Tempo ist nicht für alle zu gehen und so brechen wir schließlich zu dritt mit Bernhard zu den letzten Metern zum Gipfel auf. “In einer halben Stunde hoch und wieder runter” lautet seine Anweisung.

Also wieder die Steigeisen über, in Seilschaft über einen vereisten Anstieg, die letzten Meter im Fels und wir stehen ganz oben. Wir haben nur einen kurzen Moment, den Gipfel zu genießen, dann steigen wir wieder ab. Die Wolken nähern sich und somit ist die Aussicht leider nicht so großartig. Auf dem Rückweg reihen sich die anderen drei wieder in die Seilschaft ein. Es fängt an zu schneien, nicht stark, aber es rieselt. So schnell wie es uns möglich ist, steigen wir ab, vorbei an beeindruckenden Eisformationen. Zum Glück gibt es kein Gewitter. Hinunter geht es über das Mitterkarjoch (3468 m) durch eine Schneerinne, die uns einige Schwierigkeiten bereitet. Der Schnee geht langsam in Regen über. Der Weg führt über die Breslauer Hütte (2840 m), in der wir bei Suppe (sicherlich hat Martin mal wieder eine “Sudelnupp”) oder  Germknödel neue Kräfte tanken. Außerdem nutze ich die Gelegenheit, mich umzuziehen, da meine Hose sowie die Unterwäsche durch eine Soloeinlage in einem tiefer liegenden Schneefeld hoffnungslos durchnässt ist. Als wir die Hütte verlassen, hat es aufgehört zu regnen. Wir steigen weiter nach Stablein (2356 m) ab und lassen uns per Sessellift nach Vent  auf 1896 m Höhe bringen. Ich sitze mit meinem Rucksack im Sitz und genieße die Fahrt und die Sicht in vollen Zügen. An mein Ohr dringt nur das Gezwitscher der Vögel. In Vent suchen wir unseren Gasthof auf und erleben einen starken Kontrast zu den Hütten. Jeder lässt es sich nach Belieben in der Sauna, dem Schwimmbad, einer Dusche oder einem Vollbad gutgehen. Anschließend treffen wir uns wieder zu einem guten Abendessen. Den Rest des Abends verbringen wir draußen, denn in der Gaststube ist es uns allen zu warm. Mit einem “San mir wieda guad” klingt ein erlebnisreicher Tag aus.

Schnell geht es nun zurück zur Hütte, auf der wir gegen 18.30 Uhr wieder ankommen. Anstrengend war es, “der Riemen ist runter”, “das Limit erreicht”, “Bernhard hat uns geschafft” – je nachdem wen man fragt. Kurze Zeit später sitzen wir beim inzwischen schon gewohnt guten Abendbrot beieinander. Bei einem “San mir wieda guad” vergessen wir die Anstrengungen des Tages und auch das letzte Stückchen von Wolfies Schokoschnitte, das in Bernhards Mund verschwindet wird nicht übelgenommen. Ein letztes Mal sitzen wir alle gemütlich auf der Hütte zusammen.

6. Tag

Um 7.30 Uhr treffen wir uns zum einladenden Frühstücksbüffet. Bernhards Vorschlag, uns einfach mit dem Stuhl ans Büffet zu setzen, um den weiten Weg zu sparen, setzen wir doch nicht in die Tat um. Eine Stunde später brechen wir vom Hotel Richtung Martin-Busch-Hütte (2527 m) auf. Eine Gruppe Mountainbiker, die zeitgleich von Vent startet, werden wir auf den Hütten wieder antreffen. Nach einer kurzen Einkehr geht es weiter zur Similaun – Hütte (3019 m). Die Ausblicke ändern sich, die hohen schneebedeckten Gipfel der “Ötztaler Bergriesen” bestimmen das Bild – imposant. Auf der Similaun-Hütte angekommen geht es mit leichtem Rucksack nach kurzer Rast für die, die noch wollen, weiter. Zunächst suchen wir die Fundstelle des Mannes vom Similaun (“Ötzi”) auf, die ungefähr eine Stunde Gehzeit von der Hütte entfernt liegt. Dies ist das heutige Tagesziel von Horst, Wolfgang macht es sich inzwischen schon auf der Hütte gemütlich. Die übrige Gruppe strebt der Fineilspitze (3516 m) entgegen, bzw. Bernhard widerstrebt ihr, die Zeit ist schon recht fortgeschritten. Vom Hauslabjoch geht es immer ein Stückchen weiter, immer nochmal um die Ecke gucken. Schließlich lassen wir die Rucksäcke liegen, seilen uns an und auf nicht markiertem Weg geht es schnell hinauf und wieder hinunter. Wir haben gutes Wetter, einen schönen Blick, leider aber nicht viel Zeit.

7. Tag

Noch einmal ist frühes Aufstehen angesagt. Für diejenigen, die heute noch den Similaun (3606 m) besteigen möchten, geht um 4.10 Uhr der Wecker. Frühstück gibt es um 4.30 Uhr und um 5.00 Uhr brechen wir auf. Es ist schon recht hell. Nach einem kurzen felsigen Stück des Weges legen wir sehr bald die Steigeisen an und gehen in Seilschaft weiter. Wir sind zur Zeit ganz alleine unterwegs und die uns umgebende Bergwelt im Morgenlicht ist beeindruckend. Heute können wir uns Zeit lassen und so nähern wir uns mit Genuss Schritt für Schritt dem Ziel. Nach dem Gletscher folgt ein felsiges Stück, das wir ohne unsere Stöcke überwinden. Mit Steigeisen und Eispickel in der Hand gelangen wir über einen Eisgrat zum Gipfel. Der Wind, der hier oben geht, ist kalt. Jacken, Kapuzen und Handschuhe kommen zum Einsatz. Heute haben wir eine wunderbare Sicht und Zeit, diese auch zu genießen. Trotzdem heißt es irgendwann: Rückweg antreten. Langsam, den Blick immer wieder über die Bergwelt wandern lassend, bewegen wir uns zurück Richtung Hütte. Jetzt auf dem Rückweg treffen wir auch auf andere Seilschaften bzw. auf Personen, die lieber eine bilden sollten, denn es gilt doch, einige Spalten zu überwinden.

Gegen 9.00 Uhr sind wir wieder auf der Similaun – Hütte zurück, packen die zurückgelassenen Sachen in die Rucksäcke und ich genieße meinen vielleicht frühesten Apfelstrudel. Ob Martin schon mal so früh eine seiner geliebten Suppen gegessen hat wie heute? Nach dieser Abschluss tour merke ich, wie sich langsam bei mir Wehmut einschleicht. Jetzt also nur noch ein langer Abstieg nach Obervernagt im Schnalstal (1690 m) und dann war es das? Eine ganze Woche gemeinsamen Wanderns vorbei (Nach Bernhards Höhenmesser haben wir ca. 9000 Höhenmeter in dieser Zeit erklommen.)?  Ich mag das noch nicht wahrhaben, möchte diese Erlebnisse noch nicht hinter mir lassen. 

Auch dieser letzte Abstieg ist eine landschaftlich schöne Etappe. Nach anfänglich steilem Abstieg wird es gemütlicher. Der Weg führt über Wiesen, später wird er von Bäumen gesäumt. Immer haben wir einen schönen Ausblick auf den Vernagt Stausee. Schöne alte Bergbauernhöfe liegen am Weg. Vom Vernagt Stausee werden wir von einem Kleinbus abgeholt. Die Fahrt verläuft sehr ruhig. Wir dösen, hängen den eigenen Gedanken nach. Nach ca. 4,5 Stunden erreichen wir schließlich gegen 17:30 Uhr  Oberstdorf.

Resümee:

Wir haben eine sehr abwechslungsreiche Woche miteinander verbracht, eine Woche der Gegensätze. Erst konnten wir die grünen Hänge der Allgäuer Alpen, dann die Felsformationen der Lechtaler Kalkalpen und zum Schluss die vergletscherten Berge im Ötztal bewundern. Lange Wanderungen, leichte Felsklettereien und das Gehen auf Eis und Schnee wechselten sich ab. Dank des guten Wetters und der immer umsichtigen und freundlichen Führung Bernhards bestand die Möglichkeit, alle Ziele dieser Tour zu erreichen. Die Gesamtplanung der Route, die Unterkünfte und die Verpflegung hat sehr zum Wohlbefinden beigetragen, ein Dankeschön dafür an die OASE alpin. Ganz positiv haben wir auch die Zusammensetzung unserer Gruppe empfunden. Bei allen Unterschieden herrschte immer ein sehr freundliches, rücksichtsvolles und hilfsbereites Miteinander.

Die Eindrücke dieser Tour werden uns noch lange begleiten und uns eine Oase im Alltag sein. Waren wir nun auf dem Hochvogel oder nicht? Wie wichtig ist das schon? Also, ein letztes  “San mir wieda guad”, vielleicht sehen wir uns irgendwann wieder auf einer Tour? Es muss spannend bleiben.......